Traumberuf: Profifußballer oder Schweißer

Der SV Langenstein von 1932 e.V. vermittelt seinem Nachwuchs Ideen für die berufliche Zukunft.

JUWEL - Jugend, Wirtschaft, Eltern - heißt die Initiative, mit der der SV Langenstein bei den "Sternen des Sports" 2013 in Sachsen-Anhalt den Landessieg geholt hat. Mit Unterstützung der Eltern organisieren die Trainer des Vereins Besuche bei Betrieben in der Region. So sollen die Nachwuchsspieler langfristig Berufsperspektiven für sich entdecken und der Region und dem Verein erhalten bleiben.

"Der Schwerpunkt liegt auf dem Handwerk. Bei unserem ersten Termin im März waren wir bei der Tischlerei Bögelsack. Die Jungs sollten sehen, dass das eine ganz wertvolle Arbeit ist, die dort geleistet wird. Viele von ihnen haben vorher noch nie etwas selbst gebaut oder gefeilt, deshalb waren das ganz neue Erfahrungen für sie", erzählt Sebastian Knobbe, der stellvertretende Vereinsvorsitzende. "Für uns als Verein ist JUWEL außerdem eine sehr gute Gelegenheit, um mit unseren Sponsoren in Kontakt zu bleiben und sie nicht nur einmal im Jahr beim Sponsorentreffen zu sehen. Der Chef der Tischlerei Frank Bögelsack war sofort bereit, seine Werkstatt für uns zu öffnen. Auch andere Sponsoren haben das schon angeboten." Um Probleme mit der Schule zu vermeiden fand der erste Ortstermin an einem Samstag statt.

Spielerisch Erfahrungen sammeln

Ins Rollen kam die Initiative, weil die Jugendtrainer des SV Langenstein Reinhard und Michael Franz – Vater und Sohn – über Berufsperspektiven im Harz nachdachten. Michael Franz hatte nach seinem Studium in der Umgebung keinen passenden Arbeitsplatz gefunden. Um dem Trend zur Abwanderung, der in Sachsen-Anhalt ein großes Thema ist, etwas entgegen zu setzen, kamen sie schließlich auf die Idee mit den Betriebsbesuchen. Diese stellten sie dem Vorstand vor, der allerdings erst überzeugt werden musste.

Anders die Eltern der Nachwuchsspieler, die die Initiative sofort unterstützten. Und die Jungs selbst? "Die waren nicht unbedingt alle begeistert, als es hieß, dass es um sieben Uhr früh schon in der Tischlerei losgeht. Aber wir wollten ja einen Eindruck vom gesamten Tagesablauf vermitteln – mit normalen Anfangszeiten, Pausen und verschiedenen Arbeitsschritten", erinnert sich Sebastian Knobbe. "Der Chef war die ganze Zeit als Ansprechpartner dabei und hat Fragen beantwortet. In den Pausen sind die Jungs dann auch mit den Beschäftigten ins Gespräch gekommen. Für viele von ihnen war es zum Beispiel etwas ganz Neues, dass auch Menschen mit Behinderung ganz normal arbeiten gehen."

Das Ziel: eine selbstgebaute Torwand

Damit die Nachwuchsspieler des SV Langenstein auch etwas für den eigenen Verein mitnehmen können, entstand die Idee, eine eigene Torwand zu bauen. Beim zweiten JUWEL-Termin ging es deshalb in einen Stahlbaubetrieb, und zwar zur Stabakon. Hier entstand das Gerüst für die Torwand. "Ein Junge sagte nach dem Besuch dort, wenn er nicht Profifußballer werden würde – was natürlich alle wollen – dann würde er Schweißer werden", sagt Sebastian Knobbe. "Aber für die meisten von ihnen spielen Überlegungen, welchen Beruf sie später mal lernen wollen, noch überhaupt keine Rolle." Trotzdem hofft der Verein, dass die Jungs durch JUWEL Berufsperspektiven für sich entdecken. "Wir haben für unsere Initiative unheimlich viel positive Resonanz bekommen. Das Regionalfernsehen Harz hat über uns berichtet und uns auch gleich angeboten, dort mal vorbeizukommen. Genau wie die Ostharzer Volksbank eG – bei der wir unsere Bewerbung für die ‚Sterne des Sports’ eingereicht haben – die uns auch eingeladen hat, mal einen Tag in der Bank zu verbringen."

JUWEL-Logo als Qualitätssiegel

Kein Wunder also, dass der Verein darüber nachdenkt, seine JUWEL-Initiative weiter auszubauen und noch effektiver zu machen. "Wir könnten uns vorstellen, dass wir mit den Partnerbetrieben richtige JUWEL-Kooperationsverträge schließen, ähnlich wie bei den Unesco-Projekt-Schulen oder den Club-of-Rome-Schulen. So hätten wir verlässliche Ansprechpartner und die Betriebe könnten mit ihrem Engagement im Rahmen von JUWEL für sich werben", spinnt Sebastian Knobbe den Gedanken weiter.

Auch wenn sich erst in einigen Jahren nachprüfen lässt, ob die Jungs durch die Vermittlung von JUWEL der Region und dem Verein treu bleiben, spürt der SV Langenstein mit seinen rund 220 Mitgliedern schon heute das wachsende Interesse. "Wir hatten für die E-Jugend noch nie so viele Anmeldungen wie dieses Jahr. Gerade im Jugendbereich gab es in der Vergangenheit Probleme, deshalb haben wir mit anderen Orten hier in der Umgebung Spielkooperationen geschlossen. Diesmal haben zwölf Familien ihre Kinder bei uns angemeldet, darunter sind auch zwei Mädchen", freut sich Sebastian Knobbe, der als Sport- und Geschichtslehrer arbeitet.

Was der Verein mit den Siegprämien der "Sterne des Sports" anfangen wird, steht noch nicht fest. Das Geld soll aber in jedem Fall in die Jugendarbeit fließen. Im Gespräch ist außerdem, den Trainingsplatz, auf dem auch die Punktspiele der Fußballmannschaften ausgetragen werden, zu überholen und neue Fangnetze hinter den Toren anzuschaffen.

Ein einmaliges Erlebnis

Das Bundesfinale in Berlin ist für Sebastian Knobbe Zugabe. "Wir hätten nie gedacht, dass wir so weit kommen. Alles was jetzt noch passiert ist toll. Natürlich wünschen wir uns einen Platz unter den Top Ten. Aber vor allem wollen wir das Bundesfinale als Plattform nutzen, um JUWEL bundesweit zu präsentieren. Wir sehen das ganze auch als Tauschbörse, bei der wir durch die Bewerbungen der anderen Kandidaten neue Ideen für unseren Verein entdecken können", fasst Sebastian Knobbe zusammen. "Und auch persönlich ist es natürlich eine ganz außergewöhnliche Erfahrung. Ein Erlebnis, das man wahrscheinlich nur einmal im Leben haben wird."


Stanzen, Feilen und Schweißen
probierten die Nachwuchsfußballer bei ihrem Besuch in der Firma Stabakon aus



Die Spieler der E- und D-Jugend des SV Langenstein
lernen bei der JUWEL-Initiative Berufsperspektiven in der Region kennen.


Quelle & Copyright: wirkhaus und DOSB



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